Initiative Artenvielfalt Neckartal

Modellprojekt "Lebensraum für den Kiebitz"


Foto 1: Foto: Heiner Götz

Der Kiebitz besiedelt weithin offene gehölzarme Acker- und Grünlandgebiete mit ausgeprägten Vernässungsstellen. In Baden-Württemberg ist der Kiebitz inzwischen vom Aussterben bedroht. Die Bestände haben im Zeitraum von 2004 bis 2013 um mehr als 80 % abgenommen und der Negativtrend ist weiter ungebremst (s. BAUR et al. 2016). Selbst dort, wo die Art noch brütet, ist der Bruterfolg meist zu gering, um das Überleben zu sichern.
Für den Erhalt des Kiebitzes sind neben der gezielten Stützung verbliebener Restvorkommen auch Fördermaßnahmen zur Wiederbesiedlung in verwaisten Gebieten erforderlich. Hierzu lagen bis zu Beginn des Modellprojekts keine Erfahrungen vor.

Kiebitz im Landkreis Tübingen

Im Landkreis Tübingen war der Kiebitz in den Tallagen von Neckar, Ammer und Steinlach weit verbreitet. Ende der 1960er Jahre wurden 110 Reviere dokumentiert, aber auch hier setzte nachfolgend ein massiver Rückgang ein. 2005 konnte nur noch eines der Reviere bestätigt werden (Daten R. KRATZER, IAN). Die meisten Lebensräume waren durch Trockenlegung oder Gehölzentwicklung entwertet, hohe Prädationsraten durch Füchse vermutlich eine weitere Rückgangsursache. Auch im Neckartal hatte der Kiebitz regelmäßig mit mehreren Brutpaaren in vernässten Wiesen und Äckern gebrütet. Dort waren die letzten Vorkommen bereits 2004 erloschen.

Modellprojekt "Lebensraum für den Kiebitz"

Dank der umgesetzten Maßnahmen brütet der Kiebitz inzwischen wieder regelmäßig erfolgreich im Neckartal. Ermöglicht hat dies das Projekt "Lebensraum für den Kiebitz" unter Trägerschaft der Ammertal-Schönbuchgruppe in Kooperation mit der IAN, gefördert und unterstützt durch die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg.

Seit Projektbeginn im Jahr 2011 konnte der Kiebitz das ca. 5 ha große Projektgebiet erfolgreich wieder besiedeln. 2020 brüteten hier erstmals wieder 11 Paare.

Grafik 1: Bestandsentwicklung im Projektgebiet am Riedgraben im Neckartal; 2005 war dort das letzte Vorkommen erloschen, seit 2011 konnte der Kiebitz das Gebiet in Folge der umgesetzten Maßnahmen erfolgreich wieder besiedeln.

Mit mindestens 14 flüggen Jungvögeln konnte 2020 auch der bislang höchste Bruterfolg dokumentiert werden. Dieser lag deutlich über der Schwelle für einen langfristigen Populationserhalt von 0,8 flüggen Jungvögeln/Brutpaar.

Grafik 2: Anzahl flügger Jungvögel (dunkelblaue Säulen) und Angabe des theoretisch bestandserhaltenden Werts flügger Jungvögel (blaue Punkte, zugrunde gelegt wurden für den bestandserhaltenden Wert 0,8 flügge Jungvögel/Brutpaar).


Foto 2: Kiebitzmännchen attackiert einen Rotmilan und vertreibt ihn aus dem Projektgebiet. Ziel des Projekts war die Entwicklung einer kleinen Kiebitz-Kolonie: So können die Männchen gemeinsam die "Luftabwehr" übernehmen und die Weibchen in Ruhe brüten - gute Voraussetzungen für ausreichenden Bruterfolg (Foto: H. Götz)

Das ehrenamtliche Monitoring wird jährlich Jahr durch Mitarbeiter der IAN durchgeführt, ebenso wie der Auf- und Abbau des über 1 km langen Schutzzauns gegen Störungen und Verluste durch Prädation.

Schutzmaßnahmen für den Kiebitz

Die Maßnahmen wurden modellhaft im Projekt umgesetzt und sukzessive weiterentwickelt. Wichtige Bestandteile sind u.a.
  • Gehölzrodung im angrenzenden Ried und in den Projektflächen zur Wiederherstellung des Offenlandcharakters
  • Anlage von flachen Vernässungsstellen (Blänken)
  • Kiebitzgerechte Ackerbewirtschaftung
  • Zäunung des Kiebitzackers während der Brutzeit (elektrisches Schafnetz)
  • Sperrung querender Wege während der Brutzeit
  • Ehrenamtliches Monitoring (IAN)
  • Öffentlichkeitsarbeit

Foto 3: Frisch abgeschobene Blänkenfläche 2011 und Foto 4: 2019 (Fotos: S. Geißler-Strobel)

Foto 5: Die neu angelegten Vernässungsstellen (Blänken) sind essenzielle Nahrungsflächen für noch nicht flügge Jungvögel (Foto: H. Götz).

Foto 6: Zustand des frisch geeggten Kiebitzackers am 28.02.2019, kurz vor Beginn der Brutzeit

Foto 7: Schottische Hochlandrinder halten die Vegetation niedrig und übersichtlich (Foto: S. Geißler-Strobel).

Foto 8: Die Schottischen Hochlandrinder halten auch die Blänken offen. (Foto: Wildkamera)

Partner im Kiebitzschutz

  • Ammertal-Schönbuchgruppe
  • Landwirte im Vertragsnaturschutz
  • Landratsamt Tübingen (Untere Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörde)
  • Landschaftserhaltungsverband VIELFALT e.V.
  • Regierungspräsidium Tübingen
  • Stadt Rottenburg

Das Projekt wird gefördert durch die

  • Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg

Foto 9: Flügge Jung- und Altvögel nach Abschluss der Bruten zur Nahrungssuche am Bischoff-Baggersee; an vielen Stellen ergeben sich Synergieeffekte zwischen den Projekten im Neckartal (Foto: H. Götz);


Literatur

BAUER, H.-G., M. BOSCHERT, M. I. FÖRSCHLER, J. HÖLZINGER, M. KRAMER & U. MAHLER (2016): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Brutvogelarten Baden-Württembergs. 6. Fassung. Stand 31. 12. 2013. - Naturschutz-Praxis Artenschutz 11.

Ausgangssituation


Daten: R. Kratzer

Weitere Infos

 
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